Ausgewählte historische Rezepte hat Mathilde Grünewald für die heutige Küche eingerichtet und nachgekocht. Veröffentlicht wurden diese Rezepte in verschiedenen Publikationen, darunter in ihrem dem Mittelalter gewidmeten „Nibelungenkochbuch“ sowie im Band „Schmausende Domherren oder wie Politik auf den Tisch kommt – Mainzer Menüs 1545 und 1546“. Die Fotos von Klaus Baranenko vermitteln (nicht nur kulinarischen) Genuss zwischen Vergangenheit und Gegenwart.
Glühwein und Heißgetränke in der Merowingerzeit
In: Küche und Keller in Antike und Frühmittelalter. Tagungsbeiträge der Arbeitsgemeinschaft Spätantike und Frühmittelalter. Hamburg 2014.
Die Franken sind berühmt dafür, dass sie unmäßig tranken und im Zustand der Betrunkenheit Gewalttaten begingen, die etwa Gregor von Tours (538–594) überliefert und Reinhold Kaiser in seinem Buch „Trunkenheit und Gewalt im Mittelalter“ referiert hat. Gerne stellt man die ,zivilisierte’ Mittelmeerkultur des Weintrinkens während des Speisens der ,barbarischen’ Sitte gegenüber, nach dem gemeinschaftlichen Mahl die Tische wegzuräumen und dann zu trinken. Allerdings weist uns Isidor von Sevilla (um 560–636) auf einen Vers bei Vergil Aen. 1,723–724 hin: „Nachdem die erste Ruhe von den Speisen [eingekehrt ist] und die Tische entfernt sind, stellen sie große Krüge hin und schenken die Becher voll.“ Vergils Vers besagt lediglich, dass die bereitgestellten Mischgefäße bekränzt wurden. Handelt es sich daher um eine Interpretation Isidors, der sich den Vorgang aus seiner Zeit erklärte?
Lief das gemeinschaftliche Trinken im Mittelmeerraum jedoch wirklich immer in zivilisierten Bahnen ab und endete nicht auch, wie anscheinend überaus häufig bei den Franken, in Gewalttätigkeiten? Ritualisiertes gemeinschaftliches Trinken ist, auch wenn es oft so hingestellt wird, sicher keine ,Erfindung’ der Franken. Auch die klassischen Griechen kannten die Folgeerscheinungen übermäßigen Alkoholgenusses wie Sachbeschädigung und Prügeleien. Philipp von Makedonien stürzte sich etwa mit gezücktem Schwert auf seinen Sohn Alexander, sein Zorn und Wein bewirkten allerdings auch, dass er stolperte und fiel. Politikern wurde angeraten, sich nächtlicher Trinkgelage zu enthalten: Auch in der Antike wurden Prominente und ihr Verhalten beobachtet. Das unmäßige Trinken führt zum Rausch, zur Enthemmung, zu Streit, Schlägerei und Totschlag, auch die Formen des Alkoholismus waren gut bekannt.
Gregor von Tours erzählt in Kapitel 12 des vierten Buchs der Historia Francorum folgende Geschichte: Nachdem Bischof Cautinus den Priester Anastasius in einer unterirdischen Kapelle hat lebendig einschließen lassen, wurden Wachen aufgestellt. Die Schergen verließen sich auf den schweren Deckstein über dem Gefangenen, zündeten, da es Winter war, ein Feuer an, bereiteten sich Glühwein und schliefen endlich berauscht ein. Anastasius konnte entkommen „… cum esset hiems, accenso igne, vino sopiti calido, obdormiunt.“ Also: „… weil es Winter war, hatten sie ein Feuer entzündet und schliefen ein, berauscht vom warmen Wein“.
In welchen Gefäßen wurde der Glühwein am Feuer zubereitet? Es können selbstredend weder solche aus Glas noch die bei Venantius Fortunatus genannten, in Metz um 565 n. Chr. benutzten Becher aus Ahornholz gewesen sein. Vielleicht verfügten die Wachen über einen Metallkessel, in dem sie außer Speisen auch Getränke erhitzten? Dann könnten wir jetzt unsere Überlegungen beenden.
Pressestimmen zu Mathilde Grünewalds „Nibelungenkochbuch“
„Die Verquickung fundierten Wissens über die Zeit, die
Kenntnis nützlicher Quellen mit dem Geschick, Aromen zu
komponieren und Zubereitungsarten abzustimmen, machten es der
Autorin einfach, eine kräftigende Weinsuppe genauso
nachzukochen wie die bei Hofe laut alten Dichtungen so beliebten
gefüllten Hühner. … Wer sich selbst ein solches
mittelalterliches Menü nachgekocht hat, wird um eine wichtige
Erfahrung reicher sein. Denn die Einschränkung der
Geschmacksvielfalt aus Mangel an Gewürzen und
Süßstoffen weckt zum einen ein tieferes
Verständnis für das Leben im Mittelalter, als es
historische Darstellungen von Tischszenen jemals im Museum
könnten, und zum anderen die allzu oft verlorene
Fähigkeit, die echten und unverfälschten Aromen der
einzelnen Lebensmittel wahrzunehmen.“
„Rheinpfalz“,
25.3.2006
„Endlich mal ein wirklich neues Kochbuch, vermutlich, weil’s
so alt ist. Größtes Vergnügen beim
Durchblättern und Nachkochen mittelalterlicher Gerichte ohne
Zucker, Sahne und Kartoffeln.“
„Mittelbayerische Zeitung“, 22./23.4.2006
Guido von Büren über das Buch „Schmausende Domherren oder wie Politik auf den Tisch kommt. Mainzer Menüs 1545 und 1546“
„Ausführlich setzt sich die Verfasserin mit der
Frage auseinander, wie die Menüs damals gekocht wurden. Dabei
greift sie auf zeitgenössische Kochbücher zurück,
wie das von Marxen Rumpolt aus dem Jahr 1581.
Begriffserläuterungen, eine kurze Darstellung der Kochsitten
in verschiedenen Ländern sowie die Erläuterung der
wichtigsten Zutaten leiten zum Rezeptteil über, der mit
nahezu 100 Seiten den umfangreicheren Teil der Publikation
ausmacht. Den Rezepten vorangestellt sind noch kurze
Erläuterungen dazu, ‚wie man heute den Geschmack der
Renaissance auf den Tisch bringt‘. Die nun folgenden Rezepte
werden immer eingeleitet durch die entsprechenden Angaben aus
zeitgenössischen Rezeptbüchern, wie denen von Marxen
Rumpolt, Franz de Rontzier und Sabine Welser. Mathilde
Grünewald hat alle Rezepte selbst entwickelt und ausprobiert,
wobei der Fotograf Klaus Baranenko die Speisen und deren
Zubereitung dokumentiert hat. Die Fotografien wirken – anders als
bei modernen Kochbüchern üblich – sehr naturalistisch
und auf das Wesentliche konzentriert.“
Guido von Büren, in: sehepunkte 13 (2013), Nr. 3 [15.03.2013]